Armeeseelsorge: Gut vorbereitet auf belastende Gespräche
Seit September 2023 bietet die Armeeseelsorge eine Ausbildung namens «Belastende Gespräche und HIOB» für militärische Führungskräfte an. Geübt werden generell belastende Gespräche sowie das Überbringen einer Hiobsbotschaft, zum Beispiel bei einem Todesfall. Nach einem Pilotversuch im September 2023 fand am 16. November 2023 ein erster Kurs statt. Die Kommunikation V durfte den Anlass begleiten.
Es ist ein starker Kontrast: draussen die Appenzeller Landschaft, drinnen der Tod. Sieben Kaderangehörige der Armee lernen in einem eintägigen Kurs in Teufen (AR), wie man eine belastende Nachricht, etwa bei einem Todesfall, möglichst korrekt überbringt. Solche Gespräche mit Angehörigen sind herausfordernd. Um das nötige Rüstzeug zu vermitteln, besprechen die Kursleiter Stefan Staub und Stefan Keilwerth mit den Teilnehmern im Theorieteil des Kurses schwierige Gesprächssituationen. Später werden diese mit Profi-Schauspielenden geübt. Das neu lancierte Kursangebot richtet sich an militärische Kaderangehörige, also zum Beispiel an Bataillonskommandanten sowie Adjutanten. Der Kurs ist unter anderem deshalb wichtig, weil er im Sinne der Verteidigungsfähigkeit der Armee die Kompetenzen Resilienz und Leadership in schwierigen Situationen fördert.
Tipps für den Ernstfall
Gespräche, in denen man Angehörige über den Tod oder einen schweren Unfall eines Familienmitglieds informiert, finden nie telefonisch statt und stets in Uniform. «Letzteres ist auch ein Schutz für Sie. Es kommt vor, dass Angehörige die Armee für den Tod oder Unfall eines Menschen verantwortlich machen – so fällt es Ihnen leichter, solche Vorwürfe nicht persönlich zu nehmen und besser zu verarbeiten», sagt Stefan Staub. «Wir sprechen übrigens nie von ‹Leiche› oder ‹Leichnam›, sondern von ‹Ihr Sohn›, ‹Ihr Mann›, ‹Ihre Freundin›.» Zudem sollte man Fakten direkt ansprechen. «Vage sein oder falsche Hoffnungen machen geht nicht!» Stefan Keilwerth ergänzt: «Sobald man das Haus betritt, sollte man es langsam angehen. Also klar informieren und nicht zu viel oder zu schnell sprechen. Manche Angehörige möchten gar nicht reden, sind aber froh, wenn jemand da ist.»
Unter die Haut
Das Überbringen einer Hiobsbotschaft wird in einem privaten Setting mit professionellen Schauspielenden geübt, um die Teilnehmer so realitätsnah wie möglich auf einen Einsatz vorzubereiten. Die Übungsanlage geht so: Im Haus wohnt Familie Berisha. Die zwei Kaderangehörigen klingeln an der Tür. Der Vater öffnet und fragt nach dem Anlass. Die zwei Armeeangehörigen sagen, dass sie ein ernstes Thema besprechen müssen und nehmen am Esstisch Platz. Die Reaktion der Familienmitglieder auf die Nachricht, dass ihr Sohn im Militärdienst verstorben ist, fällt unterschiedlich aus: Der Mann realisiert den Tod des Sohns sofort und reagiert frustriert und fatalistisch. Die Frau kann die Nachricht nicht einordnen und will mehrmals wissen, wann der Sohn heimkehrt. Zwischendurch streitet das Paar. Die zwei Armeeangehörigen versuchen klar zu informieren, zeigen Anteilnahme und reagieren spontan auf das Gesagte. Nach 20 Minuten endet die Übung. Die zwei Kursteilnehmer wirken sichtlich betroffen.
Eindrückliche Szenen
Nach der Übung besprechen die Kursleiter mit den Teilnehmern, was sie gut gemacht haben und was verbesserungsfähig ist. Die regen Diskussionen zeigen, dass nicht alle das Erlebte gleich einordnen und unterschiedlich mit dem Tod umgehen. Teilnehmer Steven Senn, Kreiskommandant für den Kanton Schaffhausen, schildert seine Eindrücke: «Die Übung war sehr gut. Die Schauspiel-Szenen waren eindrücklich und fühlten sich absolut real an.»
Kommunikativ anspruchsvoll
Kursleiter Stefan Staub ist mit dem Tag sehr zufrieden: «Ich war beeindruckt, mit welcher Ernsthaftigkeit und welchem Interesse sich die Teilnehmer auf den Kurs eingelassen haben. Er lobt auch die kommunikativen Fähigkeiten der Teilnehmer: «Kader sind geschult, klare Anweisungen zu geben. Beim Überbringen einer Todesnachricht hingegen ist die sensitive Sprache, also auch die nonverbale Kommunikation gefordert, wo es drum geht, Schweigen, Ohnmacht und Trauer auszuhalten. Die Teilnehmer konnten ihre Betroffenheit in einer berührenden Weise zeigen.»
Besser vorbereitet
Teilnehmer Steven Senn ist hochzufrieden mit dem Kurs: «Er war sehr gut aufgebaut und empfängerorientiert. Man hofft, nie in eine solche Situation zu kommen – aber es gehört für mich zur Eigenverantwortung, vorbereitet zu sein.»
Quelle: Schweizer Armee
11.1.2024
Über die beiden Kursleiter
Hauptmann Stefan Staub ist Diakon in der katholischen Pfarrei Teufen-Bühler-Stein und Armeeseelsorger. Hauptmann Stefan Keilwerth ist Pfarrer und Ex-Polizist. Er leitet die Seelsorge Polizei und Rettungskräfte (SPuR) sowie die Notfallseelsorge Kanton Zürich (NFSZH) und ist ebenfalls Armeeseelsorger. Die beiden Fachleute führen gemeinsam die neue Ausbildung «Belastende Gespräche und HIOB» der Armeeseelsorge für militärische Führungskräfte durch.