Ausgezeichneter Beton als Klimaretter: Empa gewinnt «Oscar» der Schweizer Ingenieurleistungen
Die Empa gehört zu den Gewinnerinnen und Gewinnern des «Building Award 2025». Ein Team der Abteilung «Beton und Asphalt» wurde für seinen CO₂-speichernden Beton ausgezeichnet – ein vielversprechender Ansatz, um die Emissionen im Bauwesen deutlich zu senken. Ende Juni nahmen die Forschenden den Preis im Rahmen einer Feier im KKL Luzern entgegen.
Der «Building Award» wird alle zwei Jahre verliehen und würdigt herausragende Ingenieurleistungen im schweizerischen Bauwesen – in Anlehnung an den Oscar der Filmwelt in mehreren Kategorien. In der Kategorie «Forschung, Entwicklung, Start-ups» wurde dieses Jahr die Empa für ihren CO₂-speichernden Beton ausgezeichnet, dem Kohlenstoff-Pellets beigemischt sind. Vor über 800 Gästen im KKL Luzern nahm das Team der Empa – Pietro Lura, Mateusz Wyrzykowski, Nikolajs Toropovs, Daniel Grossegger und Frank Winnefeld – den «Building Award 2025» entgegen. Die unabhängige Jury setzte sich aus Fachleuten aus Industrie, Planung, Forschung, Verwaltung und Ingenieurwesen zusammen und zeichnete in sechs Kategorien je ein Siegerprojekt aus.
Beton, der unerwartete Klimaretter
Die Zementproduktion ist für rund acht Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Um diesen Anteil künftig zu senken, erforscht die Empa das Potenzial von CO₂-neutralem oder sogar CO₂-negativem Beton. Ein Team der Abteilung «Beton und Asphalt» hat deshalb ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Pflanzenkohle praxistauglich in Beton integrieren lässt. Zwar existieren bereits erste Betonprodukte mit Pflanzenkohle, doch diese wird jedoch oft unbehandelt beigemischt. «Die Pflanzenkohle ist sehr porös und absorbiert deshalb nicht nur viel Wasser, sondern auch teure Zusatzmittel, die bei der Betonherstellung verwendet werden», so Empa-Forscher Mateusz Wyrzykowski. Deshalb setzen die Forschenden auf Pellets: Sie werden aus Pflanzenkohle, Wasser und Zement hergestellt und ersetzen einen Teil der herkömmlichen Gesteinskörnung im Beton.
Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend: Mit den Kohlenstoff-Pellets lässt sich CO₂-neutraler oder sogar CO₂-negativer Beton produzieren – einsetzbar wie herkömmlicher Beton in Gebäuden und Infrastruktur. «Wir arbeiten derzeit mit Partnern an der industriellen Produktion unserer CO₂-negativen Pellets. Die erste Anwendung in einem Gebäude wird in der neuen NEST-Unit «Beyond Zero» erfolgen», sagt Pietro Lura, Leiter der Empa-Abteilung «Beton und Asphalt». Die Unit wird Teil des modularen Forschungs- und Innovationsgebäudes NEST von Empa und Eawag. Sie zeigt auf, wie vielversprechende CO₂-reduzierte und CO₂-negative Innovationen im Baubereich eingesetzt werden können – und wie Gebäude künftig sogar als Kohlenstoffsenken wirken.
Forschungsinitiative «Mining the Atmosphere»
Ein ganzheitlicher Ansatz geht aber über die Pflanzenkohle als Kohlenstoffspeicher hinaus. Im Rahmen der gross angelegten Forschungsinitiative «Mining the Atmosphere» arbeitet die Empa deshalb an einem Konzept, bei dem überschüssiges CO₂ direkt aus der Atmosphäre entnommen und genutzt werden soll. Ziel ist es, ein völlig neues globales Wirtschaftsmodell und einen entsprechenden Industriesektor zu schaffen, in dem CO₂ als Rohstoff der Zukunft dient.
Das abgeschiedene CO₂ wird zunächst in Grundchemikalien wie Methan oder Methanol umgewandelt. Diese wiederum lassen sich weiterverarbeiten, um herkömmliche Baustoffe und petrochemische Produkte zu ersetzen. Am Ende ihres Lebenszyklus sollen diese kohlenstoffreichen Materialien in speziellen Deponien gelagert werden, um den Kohlenstoff dauerhaft zu binden. Mit synthetisch erzeugtem Methan lässt sich zudem Energie aus sonnenreichen Regionen in Länder mit saisonalen Energieengpässen transportieren.
Die Umsetzung erfordert laut den Empa-Forschenden jedoch weitere Fortschritte in der Materialforschung und Prozessentwicklung, insbesondere um dezentral erzeugte und schwankende erneuerbare Energien optimal zu nutzen. Darüber hinaus ist eine Fokussierung auf neue Geschäftsmodelle, wirtschaftliche Anreize und geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig, damit eine CO₂-bindenden Gesellschaft Realität wird.
Quelle: Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA
1.7.2025
So funktioniert das «Mining the Atmosphere»-Konzept: Globale Aktivitäten (blau): (1) Kohlendioxid (CO₂) wird mit erneuerbarer Energie aus der Atmosphäre oder den Ozeanen entnommen. (2) Wasserstoff (H₂) wird mit erneuerba-rer Energie hergestellt. (3) Methan (CH₄) oder Methanol (CH₃OH) werden aus Kohlendioxid und Wasserstoff synthe-tisiert. (4) Aus Methanol (und möglicherweise Methan) werden Polymere produziert. (5) Polymere und Methan wer-den über bestehende Logistikketten verteilt. Lokale Aktivitäten (grün): (6) Methan wird durch thermische Zersetzung (Pyrolyse) in Wasserstoff für saubere Energie und festen Kohlenstoff (C) umgewandelt. (7) Kohlendioxid wird durch Photosynthese in Biomasse umgewandelt, die anschliessend pyrolysiert wird. (8) Abfallpolymere werden pyrolysiert. (9) Kohlenstoff aus all diesen Quellen wird in Baumaterialien eingebunden. (10) Kohlenstoff wird mit Silizium (Si) zu Siliziumkarbid (SiC) kombiniert, das ebenfalls in Baumaterialien verwendet wird. (11) Ausgediente Baumaterialien gelangen schliesslich in Deponien, die als finale Kohlenstoffsenken dienen und das Kohlendioxid dauerhaft binden. — © Empa