Anpassungsfähig und kompromisslos: Der Hecht ist Fisch des Jahres 2023
Der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) hat gewählt: der Hecht (Esox lucius) ist Fisch des Jahres 2023. Er wurde nicht auserkoren, weil er bedroht ist – im Gegenteil, die Hechtbestände in der Schweiz sind seit 20 Jahren stabil. Zu verdanken ist dies wohl seiner Kompromisslosigkeit.
Inmitten des dichten Pflanzenwuchses lauernd ist er kaum zu sehen. Seine After- und Rückenflosse weit hinten am langen Körper bilden eine funktionelle Einheit mit der Schwanzflosse und erlauben eine maximale Beschleunigung. Er schiesst blitzschnell aus dem Versteck und beisst sich an seiner Beute fest – die spitzen, nach innen gekrümmten Fangzähne lassen kein Entrinnen zu. Diese abwartende Taktik mit anschliessendem explosivem Angriff ist mit der eines Gepards zu vergleichen. Gelingt der Angriff nicht, findet auch keine Verfolgung statt; dazu reicht die Ausdauer nicht.
Ein skrupelloser Raubfisch
Der Hecht ist weit verbreitet in Europa und Nordamerika, ebenso wie im nördlichen Asien. Zwei der weltweit sieben Hechtarten leben in der Schweiz. Er ist sehr anpassungsfähig und kann auf bis zu 1500 m.ü.M im Süsswasser genauso leben wie im Brackwasser in Küstennähe. Er bevorzugt aber langsam fliessende oder stehende Gewässer mit ufernaher Unterwasservegetation. Darin kann er sich trotz seiner Grösse (Männchen bis 100cm und Weibchen gar bis zu 150cm) den Blicken von Beutetieren entziehen und erst im letzten Moment «hervorhechten». Die Raubfische tarnen sich ausserdem, indem sie ihre Körperfarbe dem Untergrund anpassen.
Vor allem die jungen, etwa einjährigen grünen «Grashechte» vermögen sich dabei optimal in den Pflanzenbeständen zu verstecken. Dies ist auch nötig, denn gerade Jungtiere stellen ein gefundenes Fressen dar – selbst für Onkel und Grosstante, denn Kannibalismus ist in dieser Familie kein Tabu. Die ausserordentliche Gefrässigkeit der Hechte erforderte eine evolutionäre «Fresshemmung» der Weibchen während der Laichzeit zwischen März und Mai. Nur so wird verhindert, dass die kleineren Männchen – ihre zukünftigen Brutpartner – von den Weibchen als Beute betrachtet werden. So steht der Vermehrung nichts mehr im Wege. Ein Weibchen legt etwa 40'000 Eier pro Kilogramm Körpergewicht.
Bei bis zu 30 Kilogramm schweren Hechten klingt das zwar nach enorm vielen Nachkommen, allerdings fallen über 90% der Junghechte ihren eigenen Artgenossen zum Opfer. Doch nicht nur die kleinsten Hechtchen werden eliminiert. Solange Hechte bis zu 70% der Körpergrösse ihres Artgenossen messen, laufen sie Gefahr, Fischfutter zu werden. Wenn sich der gefrässige Räuber allerdings in der Grösse verschätzt, kann ihm dies durchaus zum Verhängnis werden – er erstickt an seinem Fang. Was ihre Mahlzeiten betrifft, sind Hechte nicht wählerisch. Hauptsächlich stehen Fische auf dem Speiseplan, doch zuweilen werden auch Krebse und Frösche oder gar Mäuse, Ratten und verschiedene Vogelarten verspeist.
«Ein toller Hecht»
Hechte sind Einzelgänger. Energisch verteidigen die standorttreuen Fische ihr Revier gegenüber Artgenossen und anderen Eindringlingen. Die Summe der Territorien legt gleichzeitig auch die maximale Anzahl von Hechten in einem Gewässer fest. Durch die sich ständig verändernden Lebensbedingungen (ausgelöst vom Siedlungsdruck, Verbauungen und dem Klimawandel) gelten heute drei Viertel aller einheimischen Fischarten als vulnerabel, gefährdet oder bereits ausgestorben. Sein frecher und kompromissloser Charakter erlaubt es dem Hecht, sich durchzusetzen – allen Widrigkeiten zum Trotz. Nicht nur sein Bestand bleibt dadurch seit 20 Jahren stabil, er reguliert in einem intakten Gewässer auch die Beutebestände anderer Arten.
Die Rückführung von Auen und Gewässerufern in einen naturnahen Zustand sowie der Schutz von aquatischen Habitaten erlauben auch in Zukunft den Fortbestand gesunder Hechtpopulationen. Von diesen attraktiven Lebensräumen profitieren ausserdem auch andere Fischarten.
Quelle: umweltnetz-schweiz.ch
Bilder: Pixabay
1.4.2023