Verdichtung und Verdrängung in den fünf grössten Schweizer Agglomerationen
Wie hat sich die bauliche Verdichtung in der Schweiz auf die Zusammensetzung der Bevölkerung ausgewirkt? Die Studie «Bautätigkeit und Verdrängung» untersucht in den fünf grössten Schweizer Agglomerationen – Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich –die Siedlungsentwicklung nach innen und deren Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Die Studie wurde von der ETH Zürich im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen BWO durchgeführt.
In den letzten zwanzig Jahren ist in den fünf grössten Agglomerationen der Schweiz der Anteil neu erstellter Wohngebäude innerhalb der bestehenden Siedlungsfläche merklich gestiegen. Besonders in den Städten werden neue Wohnungen in erster Linie durch Ersatzneubauten, Aufstockungen oder durch die Umnutzung ehemaliger Industrie- und Gewerbezonen geschaffen – und kaum mehr auf bisher unbebautem Land.
Während zu Beginn der 2000er-Jahre Ersatzneubauten oder Umnutzungen von Industrieflächen noch selten waren, machen sie heute je nach Agglomeration bis zu 63 Prozent der Neubauten aus. Insbesondere durch die Umzonung von Industrie- und Gewerbeflächen konnte viel zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Forschungsgruppe Raumentwicklung und Stadtpolitik (SPUR) von David Kaufmann, Professor der ETH Zürich. Ein Beispiel ist Basel: Dort entstanden zwischen 2020 und 2023 rund 15 Prozent der neuen Wohngebäude auf früheren Industrie- oder Gewerbezonen; in diesen Gebäuden befinden sich sogar rund 24 Prozent aller neuen Wohnungen.
Trotz weniger Neubauten mehr Wohnungen - dank Verdichtung
Trotz eines leichten Rückgangs der Zahl neugebauter Wohnhäuser hat die Netto-Wohnungszunahme (neu gebaute abzüglich abgebrochene Wohnungen) in den meisten Agglomerationen zwischen 2020 und 2023 zugenommen. Diese bauliche Verdichtung erfolgt mehrheitlich durch Ersatzneubauten. Die Verdichtung zeigt sich jedoch unterschiedlich stark zwischen den Agglomerationen. Besonders effizient verdichteten Basel, Lausanne und Genf, wo pro abgebrochene Wohnung 1,6- bis 2-mal so viele neue Wohnungen entstanden als in Zürich oder Bern.
Soziale Folgen der Verdichtung
Zwischen den Agglomerationen gibt es deutliche Unterschiede darin, wie häufig Langzeitmietende aufgrund eines Hausabbruchs oder einer Totalsanierung aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Im Zeitraum von 2015 bis 2020 waren 0,08 Prozent der Wohnbevölkerung in der Agglomeration Genf und 1,02 Prozent in der Agglomeration Zürich davon betroffen. Insgesamt wurden in den Agglomerationen Genf und Lausanne trotz höherer Bautätigkeit weniger Personen verdrängt als in den Deutschschweizer Agglomerationen. Über alle Agglomerationen hinweg fanden die meisten betroffenen Personen (zwischen 43,6 und 64,1 Prozent) wieder eine Wohnung in der gleichen Gemeinde.
Eine Wohnungskündigung aufgrund eines Hausabbruchs oder einer Totalsanierung trifft vorwiegend Haushalte mit tieferen Einkommen. So hatten Haushalte, die ihre Wohnung verlassen mussten, ein um 30,5 bis 39,6 Prozent tieferes mittleres Einkommen als die Gesamtbevölkerung. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Ersatzneubauten verfügten hingegen über ein um 14,6 bis 38,7 Prozent höheres mittleres Einkommen als die Gesamtbevölkerung. Besonders oft von Verdrängung betroffen sind Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und Personen mit einem afrikanischen Geburtsland. Dies zeigt, dass die Verdrängung in den fünf untersuchten Agglomerationen der Schweiz vor allem Menschen betrifft, die wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, wieder eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen BWO
24.6.2025